Wer fährt schon freiwillig im Südosten Mallorcas dazu noch im Hinterland rum? Oh die, die sich vom Strand lösen können und von denen gibt es eindeutig einige. Für heute habe ich mir eine schöne Rundreise ausgedacht: Felanitx – Manacor – Petra – Villafranca – Montuiri – Porreres. Mein Reiseführer verspricht ein paar Sehenswürdigkeiten, also möchte ich sie mir anschauen. Es beschleichen mich zwar Zweifel, dass ich sie nur von außen werde betrachten können, aber auch diese Seite ist sicher sehenswert. Ich habe mich schon an die neuen, geringen Entfernungen eingestellt – ich kann mir vorher sogar noch eine Runde Swimmingpoolaktivitäten leisten, also schwimmen und in der Sonne wärmen, denn viel Zeit werde ich für diese Route nicht brauchen, einschließlich einer Mittagspause und Kaffee.
Felanitx ist … nun … auch ein Ort mit einer schönen Kirche – von außen jedenfalls, daher begebe ich mich nach einem Robiol, einem Teilchen aus Mürbeteig, mit Feigenmarmelade und einem Cafe con leche kurz vor der Siesta zum Santuari de Sant Salvador – soll sehr schön sein. Was man mir verschwiegen hat, ist die serpentinenreiche Straße, die auf diesen hohen Berg führt, denn Sanktuarien wurden hier mit Vorliebe auf höchsten Bergen der Gegend angelegt. Der Weg schleicht sich wir eine betrunkene Schlange hinauf. Ich schleiche, nicht betrunken, im zweiten Gang, Kehr um Kehr der Route folgend, und frage mich, wie lange ich das noch aushalte.

Oben angekommen denke ich, ich bin im Himmel: Auf dem Hinweis steht zwar, zum Sant Salvador, also zu Jesus, sind es noch 510 Meter, aber Jesus sehe ich schon. Jesus im Großformat, zwar nicht so groß wie in Rio, Mallorca ist aber auch etwas kleiner als Südamerika. Er steht da, ganz oben mit erhobenem Arm, als wollte er sagen: Stopp! Du hast es geschafft! Schön. Aber komm nicht näher. – Ich weiß, ich habe gesündigt, gehe aber trotzdem hin, jedenfalls steige ich die Treppe zu der Statue hinauf, hebe den Blick und habe den Eindruck, die Statue fliegt mir gleich auf den Kopf. Die vorüberziehenden Wolken spielen mir anscheinend einen Streich. Oder Er hat hier seine Hand im Spiel …?
Was jetzt kommt, ist trivial, entspricht aber der Wahrheit: Von dem Gipfel aus erstreckt sich ein wunderbares Panorama – das hell leuchtende Meer, die nur grün gesprenkelte, denn letztendlich um diese Jahreszeit vorwiegend vergilbte Landschaft. Hier und da Fincas. Und die Berge im Westen! Serra Tramuntana – man glaubt es kaum, wie imposant diese Berge wirken können. Oder ist die Luft hier zu dünn für mich geworden? Nein, nicht doch, ich bin nicht im Nepal. Das ist Mallorca!

Alles angeschaut und jetzt geht es runter – auch im zweiten Gang. Ich bin erleichtert, als ich unten ankomme. Das nächste Ziel ist Manacor, die zweitgrößte Stadt der Insel. Tatsächlich größer als die bisher gesehenen Ortschaften. Ich gehe jetzt nicht weiter darauf ein, dass die Kirche geschlossen ist und ich mich wieder mit den Äußerlichkeiten zufrieden geben muss. Ich esse einfach Tortellini mit Spinat gefüllt in Carbonara-Soße und so gestärkt begebe ich mich auf die Suche nach meinem Auto, welches irgendwo steht. In diesem Moment bin ich sogar froh, dass die zweitgrößte Stadt nicht sehr groß ist und ich mein Auto sofort finde. Denn bald muss ich noch herausfinden, wie ich aus dieser Stadt rauskomme und zwar Richtung Petra. Überhaupt, so erfahre ich, dass es noch ein Petra gibt, nicht nur das im Nahen Osten. Dieses Petra ist klein, sehr klein, aber … In diesem kleinen Petra lebte seiner Zeit niemand geringer als der Gründer von San Francisco, Juniper Serra – ich bin baff. Aber so ist es. Tatsache! Ich lasse mich des besseren belehren und pilgere hin. Die Kirche ist selbstverständlich geschlossen, also fahre ich, jetzt reicher an Erfahrung in die Ermita de Nostra Senyora de Bon Any.

Der Name ist fast so lang wie der Weg und ebenso ver-kehrt wie der zum Santuari de Sant Salvador von heute Vormittag. Heute ist eindeutig mein Schlängeltag. Diese Einsiedelei liegt natürlich auch auf einem Berggipfel, dort kann ich allerdings die Kirche betreten und bekomme das Gefühl, dass die Pilger, die den Weg dorthin gesucht haben, das Ziel tatsächlich auch im geistigen oder religiösen Sinne erreicht haben. Es ist eine Kirche ohne Spektakuläres, schlicht, mit dem üblichen Durchgang im Chor hinter dem Altar und auf eine besondere Weise ruhig, so dass man plötzlich innehält. Nicht nur, weil sie gerade mal nicht von Touristen gestürmt wird. Man kann sie nicht einfach stürmen – so ist sie nun mal.
Die weiteren Orte lassen sich wunderbar durchfahren. Das klingt gemein, ich weiß. Aber ich bin jetzt abgefüllt, voll von Bildern und Eindrücken: Kirchen, Straßen und Gassen. Ich bin da durchgefahren und fand sie allesamt sympathisch, aber im Nachhinein weiß ich nicht, was ihre besondere Atmosphäre ausmachen sollte. Oder vielleicht doch. Wir alle sehnen uns nach Sommer, warmen Farben, nach Wärme (aber bitteschön nicht zu warm). Und hier befriedigt jedes bescheidenste Haus diese Sehnsucht. Die mallorquinische Erde ist rotgelb, rötlich sind Steine, aus denen Häuser und Kirchen gebaut werden. Und wenn nicht, dann werden sie nachher in diesen Farben gestrichen. Die niedrigen Mäuerchen, die die Grundstücke abgrenzen, sind auch aus diesen Steinen, alles Ton in Ton. Langweilig? Nein, wunderbar. Die Fotos werden das wunderbar dokumentiert haben und für dieses Leben wird mir das reichen müssen.
Ich weiß auch, dass eine andere Stadt sie alle übertreffen wird. Morgen geht es nach Palma!
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