Das Abendprogramm: Gianrico Carofiglio!


Schon bei dem Gedanken, ich würde gleich ein richtiges italienisches Liceo, und dazu noch ein Quinto Orazio Flacco betreten, um in der Aula Magna der Buchpräsentation dieses bekannten Schriftstellers beizuwohnen, wurde ich unruhig, ich freute mich aber auch sehr. Es galt allerdings sich hübsch zu machen – Italiener achten auf ihre Kleidung bei solchen Anlässen, und ich wollte mich nicht als eine Barbarin aus dem Norden outen. Ich war vermutlich die einzige Straniera in dem ganzen Raum, und hoffte darauf, nicht von meinen Sitznachbarn entlarvt zu werden. Auf ein Smalltalk war ich jetzt nicht eingestellt. Zu aufgeregt.
Es waren so viele Gäste gekommen, dass die Schüler nur auf einer Leinwand im Flur das Gespräch mit dem Autor verfolgen konnten. Gewappnet mit dem neu erworbenen Buch fasste ich nachher mein Herz und stellte mich in die Schlange, um es signieren zu lassen. Ich hatte mir auch ein-zwei nette Sätze in Italienisch zurechtgelegt, die ich dann, wie immer, nicht sagte, sondern etwas Anderes stammelte. Der Genio hatte Gnade mit mir und wunderte sich nur wunderbar darüber, dass ich überhaupt da war. Als ich ihm sagte, wer ich war und woher ich kam, stellte er selbst fest, dass meine Geschichte sogar für ihn zu kompliziert war, und schenkte mir ein schönes literarisches Lächeln seiner unglaublich grünen Augen – und eine Unterschrift, selbstverständlich personifiziert, in sein neues Buch. Stolz nahm ich es entgegen und huschte davon. Uh!
Carofiglio Gianrico, italienischer Berater der Antimafia-Kommission, Richter, Anwalt, also eine öffentliche Person, mehr: eine angesehene Persönlichkeit nicht nur in Bari. Mit etwa Vierzig begann er zu schreiben. Krimis, was sonst. Zu der Veranstaltung kamen aber Menschen, die mir nicht unbedingt als ausschließliche Krimi-Fans vorkamen, sondern welche, die wussten, was er repräsentierte, wofür er stand. Und es waren schätzungsweise 200 Personen. Die einführende Rede des Journalisten konzentrierte sich auf sein Leben, seine Kindheit, seine Schulzeit. Letztendlich saßen wir in der Aula des Lyzeums, welches er als Junge besucht hatte.

Oktober 2013 - das Neueste von Carofiglio
Oktober 2013: das Neueste von Carofiglio

Das Buch handelte von einem Mann, der nach dreißig Jahren nach Bari zurückkehrte, seinen Schulfreund traf und nun sein Leben Revue passieren ließ, alte Orte neu entdeckte usw. Sozusagen Carofiglio himself, der wohl in seinem Alter mit Ähnlichem haderte – wenn ich mir so seinen letzten Krimi in Erinnerung rufe. Das sagte ich ihm natürlich nicht, denn – dem Gespräch, dass sich daraus hätte entwickeln können, wäre ich auf keinen Fall gewachsen. Ich dachte nur bei mir, so ein kluger, netter Mann und doch so eitel. Wie die meisten Männer. Ein Schriftsteller ist eben auch nur ein Mann.

Verschmitzt lächelnd und mit signiertem Buch unter dem Arm verließ ich die Schule und ging in die Pizzeria ‚Bari e Napoli’, um mich selbst für meine Courage – denn ich fühlte mich wie eine Heldin – zu belohnen.
Ich befürchtete, als Alleingängerin würde man mir sowieso nur ein Katzentisch anbieten, aber das sollte mir die Stimmung nicht verderben. Ich war wohl ziemlich blass (sicher von den Anstrengungen des Abends), weil mich der Kellner für eine frisch angereiste Engländerin gehalten hatte und mir ein Menü in Englisch brachte. Wenn eine Engländerin nämlich sich bereits länger in Bari aufgehalten hätte, wäre sie krebsrot im Gesicht geworden, und auch das war ich nicht.
Mit Entsetzen gab ich es ihm zurück und verlangte nach einem in Italiano, welches ich auch bekam. Er beteuerte, es nicht gewusst zu haben, was ihn zu dieser Einschätzung bewogen hatte, und ich war nicht nachtragend. Da mir Paolo von meinem Hotel bereits erzählte, dass in diesem Ristorante Pizza alla Barese, nach Bari-Art – mit dünnem Boden, und alla Napoletana, nach Napoli-Art – mit dickem Boden serviert wird, konnte ich mit meinem Wissen angeben und bekam dann auch eine Sottile (dünn) und ein kleines Fläschchen Weißwein dazu. Sehr lecker. Ich lächelte dem Kellner zufrieden zu, was ihn dazu veranlasste, an meinen Tisch zu kommen, um den Lob persönlich zu empfangen. Er wurde ihm gewährt.
Der Abend hielt für mich noch eine andere Überraschung parat. Auf dem Weg ins Hotel erlebte ich eine Prozession. Welches Heiligen auf diese Weise gedacht wurde, weiß ich nicht mehr. Denn San Nicóla war es nicht. Aber was die Italiener des Mezzogiorno nicht alles veranstalten, um nicht zu früh schlafen gehen zu müssen?! Zur späten Stunde mit einer Kerze in der Hand und einem Lied auf den Lippen ziehen sie durch die Gegend. Dazu kommt Musik, gespielt und getrommelt, und schon ist man stundenlang fröhlich unterwegs, und die Leute entlang der Prozessionsroute können nicht schlafen. Aber wen kümmert’s. Sie sollen ja nicht schlafen.

Wer kennt den Heiligen, dessen Ende Oktober in Bari gedacht wird?
Wer kennt den Heiligen, dessen Ende Oktober in Bari gedacht wird?

Ich allerdings konnte diese Nacht sehr gut schlafen. Es hatte sich wieder bewahrheitet: Man gewöhnt sich an alles, auch an Notti rumorose a Bari. Buona notte!

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