
Der vorletzte Urlaubstag ist dazu da, um sich von allen zauberhaften Orten zu verabschieden. So fuhren wir zum Strand nach Gioiosa Marea, um noch einmal den Wellen zu lauschen, wie sie das Ufer immer wieder aufs Neue zu erobern versuchten. Um den einsamen Sonnenschirmen Arrivederci zu sagen, noch einmal den Sand berühren aus dem sie zu entwachsen schienen. Unser Strandrestaurant war geöffnet, auch die Ragazzi waren da, besser hätte es sich nicht fügen können. Wir bestellten direkt wieder Pasta Frutti di Mare, frisch aus dem Meer. Dazu Prosecco di Vernaccia, ein kleiner Verrat an Sizilien, aber von dem Restaurantbesitzer ausdrücklich empfohlen. Da konnten wir nicht widerstehen – und wollten es auch nicht. Die härtesten Urlauber harrten noch am Strand aus, als wir schon in den Ort zurückfuhren.
In unserem Café in Gioiosa saßen wie immer Einheimische, die heftig über die Politik diskutierten, und ein paar Touristen, die so wie wir noch den letzten Hauch des Sommers genießen wollten. Sie alle saßen da an einem Glas Wein oder einer Tasse Kaffee und rekapitulierten gelassen den Urlaub.
Die Kellner in Sizilien sind sehr aufmerksam, sie merken sich ganz genau ihre merkwürdigen Gäste, auch wenn sie ihre Sprache nicht immer verstehen. Manchmal quittieren sie ihre Versuche, Italienisch zu sprechen, mit mildem, verständnisvollem Lächeln.

Ein „Uno Caffee, por favor!“ müsste doch einen normalen Italiener wie ein falscher Ton mitten in einem schönen Lied aus dem Nachmittagsnickerchen werfen. Man will direkt korrigieren, damit die Welt wieder zu ihrer Bahn findet und der Italiener in seinen ruhigen Schlaf zurück. Aber nicht hier. Diese sprachliche Leidensfähigkeit der Kellner sollte doch einer nachahmen. Ihrerseits lernten sie geduldig, Wort für Wort die fremde Sprache ihrer Gäste aus dem kühlen Norden. Die Sprache der Menschen, die so ganz kühl sind und gleichzeitig herzlich wirken wollen, denen alles hier gefällt, weil es so schön italienisch ist. Die Gäste, die sich gleichzeitig über belanglose Dinge aufregen, wie einen nicht ganz sauber gewischten Tisch. Die hin und wieder etwas zu laut lachen, ein Lachen, das die Sizilianer erstarren lässt, die aber den emsigen Kellner großzügig mit dem Trinkgeld belohnen. Und die dann im Regen in ihren Regenjacken und Ökolatschen, mit kleinsten Schirmen gewappnet, über die Pfützen zum Strand springen. Nur um noch einmal einen Blick aufs Meer zu werfen und vielleicht noch den letzten Schnappschuss des Urlaubs zu machen.

Nach einem Cappuccino und zwei kleinen, mächtigen Plätzchen gingen auch wir ans Ufer, oder besser gesagt, auf die Promenade, die sich etwa fünf Meter über dem Ufer entlang der Küste schlängelte. Die Sonne ging gerade unter. Ein paar Urlauber waren bereits dabei, dieses Lichtspektakel mit ihren digitalen Kameras noch schnell festzuhalten. Welch ein prächtiger Anblick! Seufzer der Begeisterung vermischt mit Wehmut links und rechts von uns. Warum weckt ein simpler Sonnenuntergang erhabene Gefühle? Was ist schon dabei? Die Sonne badet im Meer und zieht ihr langes goldenes Haar bis zum Ufer herüber. Bald kommt der Große Schneider und – schnipp! – schneidet der Sonne den langen Zopf ab – und die Urlauber verlassen enttäuscht den Ausblickspunkt.
Versunken in Gedanken an die Heimreise, begann ich die Insel bereits zu vermissen.
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