Trapenon – der griechische Bogen


Birgi, der Flughafen von Tràpani, liegt etwas abseits der Stadt. Die Stadt selbst ist ein alter Hafen. Es waren Griechen, die ihn angelegt hatten und einfach Trapenon, Bogen, genannt haben. Danach ging er immer wieder in andere fremde Hände über. Heute stechen hier die Fischerboote in See auf den Thunfischfang. Hier schmuggelt man Drogen und andere Ware aus Afrika nach Europa ein. Die Stadt ist längst zu einem afrikanisch-mediterranen Tiegel geworden. Die Vorteile für uns, heutige Touristen, liegen auf der Hand, oder besser auf dem Teller, viele trapanesische Restaurants bieten neben Pasta auch afrikanische Gerichte an. Und sie sind wirklich lecker!
In einem modernen Restaurant, welches mit dem Hinweis auf die Möglichkeit, dort eine öffentliche Internetverbindung nutzen zu können, Touristen lockt, beschloss ich nun mein Abschiedsmahl zu mir zu nehmen. Die Internetverbindung war nur ein Fake! Wie es hieß, funktionierte da etwas noch nicht so richtig. Mhm, klar. Dafür hatten sie eine Auswahl von Büchern, in denen man stöbern und sie auch direkt kaufen konnte. Keine schlechte Idee. Das würde mir in Deutschland auch gut gefallen. Ich stöberte in den Büchern und kaufte eins, welches ich sonst vielleicht gar nicht entdeckt hätte, und fing direkt mit der Lektüre an, auf meine Gnocchi musste ich nämlich noch ein Weilchen warten. Der Chef sah sizilianisch, seine Frau eher afrikanisch-arabisch aus. Das musste also die Typusmischung sein, von der viele Reisebücher erzählen.

renaac: Sitzen oder liegen?
renaac: Sitzen oder liegen?

Tràpani ist wie ein riesengroßes Restaurant im Freien: auf den Straßen, die mit hellen und Millionen Füßenpaaren über Jahrhunderte oder zumindest Jahrzehnte auf Hochglanz polierten Platten verlegt sind, wurden stilvolle Verlängerungen zahlreicher Gaststätten und Bars arrangiert – Stühle, Sessel, Liegen und Bänke um niedrige Tische gruppiert und mit verschienen großen Topfpflanzen oder gar niedrigen Palmen von den Gehwegen getrennt. Aber nur symbolisch, denn richtige Gehwege gibt es nicht. Oder besser gesagt, es gibt nur Gehwege. Autos dürfen in die Altstadt erst gar nicht rein. Theoretisch …

renaac: Kühl und gelassen in Trápani
renaac: Kühl und gelassen in Trápani

In kleinen sizilianischen Städten scheint es unproportional viele Kirchen zu geben. Sie wurden zwar zu verschiedenen Zeiten gebaut, aber das gleiche verwendete Material lässt sie alle irgendwie gleich aussehen. Tut mir leid, liebe Architekturhistoriker, euer „Wie, alle gleich?!“ lässt mich kalt. Sie wirken wirklich so. Sicherlich wurden sie immer dann gebaut, wenn die Stadt mehr Geld gehabt oder einen Donator gefunden hatte. Und trotzdem. Viele von ihnen sind heute geschlossen und werden nicht mehr besucht, weder von Gläubigen noch von Touristen. In manchen finden Konzerte und Ausstellungen statt. Doch ihre Fassaden zieren immer Tafeln mit genauen Informationen. Das Selbstbewusstsein der Sizilianer und der Wissenshunger der Touristen treiben sie dazu, überall Hinweise auf die glorreiche Vergangenheit anzubringen. Am Rande bemerkt, ich kann mir gut vorstellen, dass neugierige Touristen schon ihren Weg in jede Kirche finden, früher oder später. Man möchte doch immer wissen, wie es denn da drin aussieht, nicht wahr?

renaac: Noch Kirche oder schon ein Konzertsaal? Vielleicht beides.
renaac: Noch eine Kirche oder schon ein Konzertsaal? Vielleicht beides.

Es soll hier auch eine jüdische Gemeinde gegeben haben, aber diese ist längst ausgewandert oder endgültig assimiliert. Nur der Palazzo della Giudecca erinnert noch an ihre Anwesenheit in der Stadt.
Man spricht davon, dass Tràpani die richtige Kapitale der Bankgeschäfte auf der Insel ist. Was hier gewaschen wird, will ich lieber nicht wissen. Doch die Architektur verrät schon, dass hier etwas mehr Geld im Umlauf ist, als in vielen anderen Städten Siziliens.
Trotzdem weiß die Stadt auch, was sie an den Touristen hat – entsprechend sind hier die Preise: gesalzen wie das Wasser im Meer. Salinen waren früher ebenso eine gute Geldquelle und ein wichtiger Wirtschaftszweig, heute sieht man nur einige von ihnen auf dem Weg zum Flughafen Birgi.

renaac: Trapanesisches Zipfelchen
renaac: Trapanesisches Zipfelchen

Der am äußersten Zipfel der Halbinsel gelegene Turm Torre de Ligny bildet den Schlusspunkt der Stadt, das letzte Zipfelchen sozusagen. Dorthin gingen wir also zum Schluss und, um gleichzeitig an meinen ersten Besuch in Sizilien anzuknüpfen. Das musste sein. In dem wuchtigen Turm ist ein immer geschlossenes Museum der Fischerei und der Vorgeschichte der Insel untergebracht. Davor aufgestellte Tafel warnt vorm Baden an dieser Stelle. Soll gefährlich sein. Aber erst angesichts der viereckigen Rettungsringe, die an der Mauer hingen, verstärkte sich bei mir das Gefühl der tatsächlichen Gefahr.

renaac: ...ähm, ja!
renaac: … ähm, ja!

Aber auch die Infotafel war eine Erwähnung wert. Jedes Mal, wenn ich in Sizilien ins Deutsche übersetzte Informationen sah, fragte ich mich, wer hier seine Rache geübt haben wollte:
„Vorsicht: das Baden nicht sicher für Mangel an besonderen Service für Rettung“. Uah! Ist das die Möglichkeit?! – würde unsereiner aufschreien. Das tat richtig weh, und ich wollte mich schon irgendwo darüber beschweren, klar, typisch deutsch: Hauptsache, man kann sich beschweren. Aber dann musste ich wieder an die deutschen Touristen denken, die das Italienische ins Unerkenntliche radebrechen. So sah hier also ein Eins-zu-eins Deutsch gegen Italienisch aus.

 

Das Flugzeug hob ab, diesmal pünktlich, und ich winkte der Insel zum Abschied und sagte leise Auf Wiedersehen. Denn ein nächstes Wiedersehen wird es geben. Das weiß ich.

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