Ich gehe in die Altstadt und freue sich auf die berühmten Roman Baths – und bevor ich den Gedanken zu Ende gedacht habe, stehe ich plötzlich davor. Und dabei bin ich sogar an dem heutigen Bad vorbeigelaufen, ohne es richtig registriert zu haben. Na ja, bis auf die lange Schlange von Wartenden, die sich um das neue Gebäude schlängelt.

Als ich erfahre, wofür die Leute da anstehen, bin ich voller Bewunderung für die Skurrilität der Insulaner in Bezug auf Freizeitvertreib. Es ist Nachmittag, und wenn die Leute noch vor diesem Wellness-Tempel stehen, wie lange möchten sie denn den Aufenthalt in demselben genießen? Gut, zum Schluss werden sie sowieso nur essen wollen, im Pump Room Restaurant. Ich verbuche das erst einmal als ‚typisch englisch’: Nur die Ruhe. Da ich zu kurz in England bin, um sie von diesem Inselvolk zu lernen, laufe ich weiter und – da sehe ich schon die King’s and Queen’s Baths. Mit drei ‚s’.

Bei einer kurzen Einführung in die Geschichte von Bath komme ich aus dem Staunen nicht heraus: Sie erinnert mich stark an die von Aachen. Ist nicht normal oder? Es macht mir die Stadt aber direkt sympathischer. Dann kommt die Besichtigung – und die ist das absolute Muss-Muss. Nicht nur, dass ich da gar nicht rauskomme, weil es dort so viel zu sehen und zu hören gibt. Wenn man sich schon die Mühe macht, mich multimedial in die Römerzeit zurückzubeamen, dann möchte ich es auch auskosten – ich brauche mehr Zeit – und die habe ich leider nicht. So ist es mit den Gruppenbesichtigungen. Also gehe ich weiter und muss meine Augen in der Dunkelheit der Piscina anstrengen. Von Fotos darf keine Rede sein, auch wenn Fotografieren erlaubt ist.
Aus der römischen Zeit sind da so viele Räume, Fragmente der Anlage erhalten, dass die Aachener vor Neid direkt so grün werden könnten – wie das Wasser in der Bathischer Therme. Es riecht zwar nicht so teuflisch wie in Aachen, und das ist vielleicht von Vorteil, denn dort würde man dem Geruch schlecht entfliehen können, nachdem man den stolzen Eintrittspreis von 14 Pfund bezahlt hat. Wunderheilungen durch dieses Wasser finden ebenso nicht statt –so wie in Aquisgrana. Das Wasser blubbert diskret – englisch halt – und plätschert, darf aus der Quelle direkt nicht probiert oder mit der Haut „erfahren“ werden. Und da ist Aachen natürlich klar im Vorteil – hier kann man es am Elisenbrunnen ohne Schwierigkeiten trinken. Wie in Aachen haben die Kelten auch hier in den Quellen gebadet – Wassertemperaturen vergleichbar.

Die Thermen wurden zwar nach dem Ende der römischen Herrschaft zum Teil zerstört und vergessen, doch das Baden ging weiter. Die Normannen fanden Gefallen daran, ließen aber selbstverständlich neben den Bädern eine Kathedrale bauen – Baden im Zeichen des Kreuzes. Im 15. Jh. versank alles für ein Jahrhundert in Bedeutungslosigkeit und Schlamm. Kurz nachdem in Aachen zum letzten Mal einem hier gekrönten König zugejubelt wurde und die Stadt sich nach neuen Prioritäten umschauen musste, erwachte Bath aus dem Dornröschenschlaf. Sogar Tuchmacher gab es in Bath wie in Aachen.
Etwa zur gleichen Zeit erlebte die Stadt die Wiederauferstehung durch Besuche vornehmer Gesellschaft und gar der Königin. Zwei Architekten John Wood der Ältere und sein Sohn John Wood der Jüngere entwarfen das Stadtbild von Bath. Moment mal! Hatte Aachen nicht auch seine zwei Couvens, Johann Jakob, der Vater und Johann Joseph, der Sohn?

Von den Woods sind in Bath fantastische Straßenzüge geblieben, Häuser, die mit einem Zirkel geplant wurden: The Circus – ein runder Platz mit drei Häuserzügen drum herum und natürlich der riesengroße Bogen Royal Crescent – dazu noch vor einer prächtigen Gartenanlage. Die Architektur folg dem Stil des Italieners Andrea Palladio, von dem sich die Architekten haben beeinflussen lassen und sie sparten nicht an Material. Teile dieser Häuser, auch wenn sie etwas heruntergekommen aussehen und eher an alte Wohnanlagen italienischer Vorstädte erinnern, diese Häuserteile also sind teurer als so manche freistehende Villa. Um einiges vorwegzunehmen – Bath ist sehr teuer. Man sagt, es ist der Ausflugsort reicher Londoner – und das lässt sich leicht nachvollziehen – schon wenn man die Fensterauslagen der Geschäfte betrachtet. Da fällt mir ein: Aachen ist auch auf dem besten Wege dahin, vor allem, was Mieten angeht.
Eigentlich wundert es mich, warum Aachen nicht Bath als Partnerstadt hat, aber nicht mir darüber zu entscheiden.

In Bath gibt es das erste Warenhaus von Europa, Jolly’s, gegründet 1831. Eine Reihe von Eingängen erleichtert das Betreten und das Besichtigen. Heute bleibe ich allerdings beim Besichtigen.

Die Augen fallen mir aus, die Beine ab, ich will mich irgendwo hinsetzen und nicht gucken müssen. Ich wage einen Besuch der Kathedrale. Es war eine normannische Abteikirche, so nennt man sie, und sie steht an der Stelle der ersten. Mehrmals umgebaut, zerstört und wiederaufgebaut, hat sie ihre Gotik doch über die Jahrhunderte hinweg gerettet.

Die Kathedrale, in der man gar nicht unauffällig um Spenden gebeten wird, ist zwar nicht ganz leer, aber wenn man sich in eine Bank setzt und nach oben schaut, kann man die Menschen um sich herum glatt vergessen. Die englische Gotik verzaubert mich mit ihren Spitzbögen wie ausgebreitete Fächer – und wieder wird mir schwindelig!
Eine Farbe dominiert die ganze Stadt – hell gelb, wie der Kalkstein, der berühmte Bath Stone, aus dem sie gebaut ist: die Kathedrale, die Häuser, die Thermen, so weit das Auge reicht. Sie schafft diese südländische Atmosphäre, als ob der palladianische Stil nicht schon dafür gesorgt hätte.

Und nur der Fluss, Avon – einer von angeblich acht Flüssen dieses Namens in England – lässt bei jemandem aus Aachen einen leichten Neid aufkommen. Mhm, gut. Ich gönne ihnen ihren Fluss, was soll’s.
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