Reims: Ein Buchstabe für einen Palast


Eine Krönungsstätte hat immer zwei wichtige Orte: Einen, wo gekrönt wird, und das kann eine  Kathedrale oder ein Dom sein. Und einen, wo danach ganz hübsch gefeiert wird. Und in Reims, wenn man beides gesehen haben will, kommt man um den Buchstaben Tau nicht herum.
Le Palais du Tau, [to:], in der französischen Aussprache ist die Bedeutung des Namens unkenntlich, aber auch mit deutschen Sprachkenntnissen steht man zuerst ratlos da. Tatsächlich erst, wenn man den Grundriss der Anlage sieht, kommt man ganz schnell dahinter.
Ich habe das Gefühl, dass der Palais du Tau Geheimnisse birgt, ich weiß nicht warum. Es sind vielleicht die hohen Fenster, die Farbe der Mauer: oben und unter den Fenstern schmutzig, dunkel – Regenwasserspuren –, unten hell. Ein bisschen schaurig, obwohl die Sonne scheint und alles harmlos aussieht. Ach, was weiß ich!

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Da wir gerade von der Krönung kommen – eine Kathedrale ist immer die Krönung! –, lassen uns auch die Feier nicht entgehen. Man erreicht den Palast durch ein breites Tor und wandelt zum rechten Flügel (den linken gibt es nicht, und bitte das jetzt nicht politisch verstehen!). Zunächst führen die Besichtigungsschilder den Besucher in den Unteren Saal. Ich frage mich, warum man dort die immer noch sichtbaren gallorömischen Bögen nicht mitgenommen hat, sondern die späteren versetzt gebaut. Wieder eine Sache, die man nicht verstehen muss. Diese aber bewundern – voll und ganz!
Obwohl ein beachtenswertes Bauwerk, mit seinen vielen großen und kleineren Sälen voller Krönungsimponderabilien, mit der Palatinkapelle für den Erzbischof und weiteren Räumlichkeiten – hat man nicht den Eindruck, dass jemand hier protzen möchte. Bei der Restaurierung standen wohl andere Gedanken im Vordergrund. Sogar der Festsaal, der über Jahrhunderte der Präsentation und Vergegenwärtigung der königlichen sowie erzbischöflichen Macht diente – und ein Abbild der Feudalherrschaft darstellte, lässt diese heute nur erahnen. Man muss die eigene Einbildungskraft bemühen, um diese Symbolik zu verstehen.
Die Wände in den Räumen sind meistens in Weiß und schmucklos. Man möchte den Blick des Besuchers auf das Wesentliche lenken.
Im Festsaal zieren blaue Vorhänge mit französischen Lilien die Wände und füllen Lücken zwischen den Gobelins.

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Reingefallen! – Der Vorhang ist hier nur draufgemalt. Sehr geschickt.

Genau, es sind vor allem Gobelins, die mich überwältigt haben. In manchen Räumen bedecken sie fast die ganzen Wände. Im Festsaal hängen zwei große Exemplare, die das Leben des Königs Chlodwig, pardon: Clovis, in Bildern erzählen. Am oberen Rand wird es auch noch in Latein erzählt. Meine Fernsichtbrille liegt gemütlich in der Ferienwohnung, ich starre also die einzelnen Wörter, und versuche sie zu erraten, wenn schon nicht zu entziffern. Meine Freundin ist besser dran. Sie liest vor, dann raten wir gemeinsam, wie es weitergeht.

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Nun betreten wir die Schatzkammer. Die dicke Sicherheitstür macht Angst. Und wenn sie jemand zuschlägt …? Schnell werden wir von den Exponaten, meistens Reliquiaren abgelenkt. Plötzlich fällt mein Blick auf das Talisman unseres Karls. – Dem Karl sein Talisman ist das!, will ich ausrufen. Es gehört doch nach Aachen! Zu spät – geschenkt ist geschenkt. Die Aachener selbst haben ihn der Kaiserin Josephine geschenkt. Musste das denn sein?!

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Wie gesagt, die französischen Krönungspartys wurden hier in dem Palais du Tau gefeiert. Der König trug dabei natürlich die passende Kleidung dazu, darunter auch die Krönungsfeierkrone – seine Partykrone sozusagen.

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So schaut sie aus, die Kopie der Krone von Louis XV.

Schwer sah die Krone nicht aus. Und das war wichtig, wenn man bedenkt, wie lange die Körnungsfeiern gedauert haben.

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Die alten Gobelins waren den heutigen Comics irgendwie ähnlich. Seht doch selbst.

Im Saal der Skulpturen entdecke ich die erste und die wichtigste Sex-and-Crime-Story der Welt – die von Adam und Eva. Und es wird mir einiges klar. Leider betrachte ich sie nicht chronologisch, was der Geschichte aber keinen Abbruch tut. Im Gegenteil – der Aha-Effekt wird nur größer.
Wenn damalige Menschen, die meistens nicht lesen konnten, diese Skulpturen gesehen haben, so mussten sie die Message verstanden haben:
Frau wird dem Mann aus der Seite herausgenommen, ist also das sekundäre Produkt der Schöpfung – falsches Obst essen ist nicht gesund – danach muss man arbeiten, mit oben ohne (!)

Mir wird schwindelig. Der Zuckerpegel sinkt, wir sollten etwas essen, muss nicht Obst sein. Im Café des Palastes gibt es zum Cappuccino formidable Küchleins: Paris-Brest. Mega-lecker!

paris_brest

Jetzt wird geschwiegen und genossen.
Bis bald!

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