Das Rurseegold im Herbstrausch


Der gestrige Sonntag war nicht gerade sonnengesegnet. Nein, nicht wirklich. Da schniefte der Himmel und weinte gelegentlich. Man konnte also schlussfolgern, dass nicht viele Wanderer unterwegs sein würden. Falsch gedacht!
Bei Wind und Wetter wandern sie entlang der Pfade am Rursee, dass man sich zu keinem Zeitpunkt alleine wähnen darf. Zu zweit, zu dritt, zu viert, nie alleine, laufen sie einem entgegen und schieben sich vorbei, schön im vorgegebenen Abstand. Das nette „Guten Tag“ fällt allerdings weg – man will keine falschen Aerosole in die Welt hinausgrüßen.
Sind die Leute durch Corona gehärtet worden? Seit Monaten laufen sie durch die Natur, als wollten sie die paar Wochen des Zur-Ruhe-verdammt-Seins im Frühling nun nachholen. Ich frage mich, ob wir vor einem Jahr auch so vielen begegnet hätten.
Andererseits kann ich sie auch verstehen: Der goldene Herbst dauert nicht lange, bald verliert sich das Gelb, das helle Rot und Weinrot in düsterem Braun, die Blättern fallen tänzelnd von Bäumen, dem Ende ihres Daseins entgegen. Noch aber erfreut er das Auge des wettererprobten Wanderers. So auch meins.

Ja, der Herbst hat seine bunte Farbpalette vor mir ausgebreitet, so bleibe ich am Ufer stehen und atme tief ein, als könnte ich nicht nur die frische, feuchte Luft in mich aufnehmen, sondern auch diese Farbenpracht. Das Auge atmet ja mit.
Plötzlich kommt ein Schiff um die Ecke – „Hl. Nikolaus“ – ein bisschen zu früh für die Bescherung, denke ich. Unten an Bord sitzt ein Pärchen in trockener Sicherheit, oben auf dem offenen Deck steht ein Mann und trotzt rauchend dem Regen.

„Ein ruhiger Job“, sagt meine Freundin, ein wenig melancholisch, und folgt dem Schiff mit langsamer Kopfbewegung. Unsere Blicke treffen sich und wir brechen in Lachen aus.

„Ja, extrem ruhig“, gebe ich zu und wische mir die Lachtränen aus den Augen.

Das geräuschlos vorbeiziehende Schiff wirkt zu surreal.

Links von uns beginnt der Wald zu atmen. Nebelschwaden steigen empor. Alles wird plötzlich weit weg von uns, weniger wichtig, weniger kantig und weniger schrill. Sogar die Wanderkonkurrenz hat sich irgendwohin verzogen. Was nun alles beherrscht, ist die Stille. Omnipräsent, total.

Mein Magen knurrt ganz vorsichtig. Will auch er die Stille nicht stören?

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