Eine Hexe mit Schuss


habe ich NICHT bestellt!

Ich liege im Bett zwischen Schockstarre und Entsetzen! Ich habe so eben versucht, mich aus dem Bett zu hieven. Mein Schrei erstickt mich beinah, und ich falle aufs Bett zurück. Als mein Atem mir ohne Stocken gelingt, versuche ich noch einmal. Mit Schrei, Stöhnen, Seufzen schaffe ich mein rechtes Bein auf den Boden zu setzen. Irgendwie klapt es. Wie soll es aber weiter gehen? Wie soll ich zum Stehen kommen?

Was für Fragen sind das denn, was für Überlegungen? Jetzt ist ein strategisches Denken gefragt – schlussfolgere, während ich mich in mein rechtes Bein einfühle. Meine Gedanken gelten einer der einfachsten Handlungen der Welt. Denn jede unüberlegte Bewegung, jede Haltung bedeutet Höllenschmerzen. Das Haus hat mein Leiden bereits im vollem Umfang mitbekommen, aber anscheinend warten sie noch, bevor sie meine Wohnungstür stürmen und den Notarzt rufen. Ich sehe schon die Ohren, die an den Wänden kleben, um bei meinem erneuten Aufjaulen zurückzuschrecken. Na ja, die können sich ja bewegen. Die Leute, nicht ihre Ohren, meine ich. Bei mir wäre ein Zurückschrecken im Moment nicht möglich, und auch gar nicht erwünscht.

Meine Beine haben inzwischen den Fußboden erreicht, ich stütze mich mit beiden Händen auf dem Bettrand ab und – auf geht’s! Nein, ich falle wieder aufs Bett. Nichts will funktionieren. Ein Japsen, und ich versuche es wieder. Hurra! Es hat geklappt. Und nun? Egal, erst einmal stehen bleiben, sozusagen Haltung bewahren – dass ich nicht lache! … Kann ich ja nicht – und diesen Zustand auskosten. Dann muss es weiter gehen. Außerdem ist mir schwindelig. Schritt, noch einer, dann Fallenlassen, und ich erreiche die Vitrine, an der ich mich stütze und wieder durchatme. Ruhig Blut!

Das wird noch lustig sein, denke ich – und fordere mein Schicksal heraus. Das Lustige vergeht mir augenblicklich, als ich versuche, mich anzuziehen. Es gelingt mir zwar, aber ich schätze, auch das haben alle Nachbarn mitbekommen. Akustisch, versteht sich.

Und jetzt will ich all diese Fragen in die Welt schreien: Warum? Warum jetzt? Warum ich? Ich habe ja keinen Hexenschuss bestellt. Blöder Begriff. Ich lenke mich ab, indem ich nach dessen Etymologie suche … Ich kann mich aber an keinen Schuss erinnern. Vielleicht an eine Hexe, ja. Sobald ich in den Spiegel schaue, denke ich, so muss sie ausgesehen haben. Gebückt, das Gesicht vom Schmerz verzerrt. Wo war aber der Schuss? Den habe ich nicht gehört. Wieder einmal …

Ich kann gehen. Nicht schmerzfrei, aber ich kann’s. Ich irre also durch die Wohnung auf der Suche nach einer schmerzfreien Zone. Die finde ich nicht. Also, überlege ich, habe ich folgende Wahl: Eine wird auf die Dauer meinen Magen ruinieren, die andere die Leber. Ich schaue auf die Uhr – es werden doch Tabletten sein müssen.

Nachdem ich zwei Schmerztabletten geschluckt habe, lasse ich mich in einen Sessel fallen, auf dem ich vorher – unter größter Anstrengung – den elektrischen Wärmegürtel arrangiert habe. Die wohltuende Wärme beginnt meinen Rücken zu entspannen. Ich atme langsam ein und aus – und falle ins Nirwana.

Eine Hexe grinst und zielt mit einem Pfeil auf mich. Ich kann nicht flüchten. Aaah! – Ich schrecke auf. Mein linker Fuß ist vom Hocker abgerutscht und ich konnte nichts dagegen machen. Tja! Eine falsche Bewegung und ich bin wieder da, bei vollem schmerzerfüllten Bewusstsein in diesem von Hexen bewohnten Jammertal.

Zwei Fragen bleiben trotzdem unbeantwortet:

1. Gibt es Hexen auch in Nirwana?

2. Und wer zieht mir den Pfeil aus dem Rücken?

Von Druck von Johann Zainer – Druck um 1490, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=15662882

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