Eis an der Grenze


renaac: Tja ... wohin nun?
renaac: Tja … wohin nun?

Mir war nach Eis. Ich weiß natürlich, wo Eis in Aachen am besten schmeckt. Jeder weiß es. Das sieht man an den Schlangen vor Café del Negro. Die Erwähnung vom Café zum (angeblich politisch unkorrekten) Mohren lässt einem Wasser im Mund zusammenlaufen. Zamatteo in Rötgen und Kohlscheider Peppone sind unverrückbare Größen – am Gipfel der Berühmtheit festgefroren. An diesem heißen Samstag wollte ich aber plötzlich nicht mehr die altbewährten Leckereiproduzenten besuchen, sondern etwas Neues entdecken. Nachdem ich die Suchbegriffe ‚Eis‘ und ‚Belgien‘ eingegeben hatte, erschien in der Suchmaschine in erster Linie Panciera in Eupen, auch schon in Aachen eine bekannte Adresse – gewesen, da vor ein paar Jahren ins benachbarte Ausland verzogen. Da sah ich auf einmal eine Gelato Farm in Teuven, wo auch immer sich dieser Ort befinden mochte. Die Route in Belgien war schnell gecheckt – eine halbe Stunde und ich säße an einem Tisch vor einer Eisdiele mitten in der belgischen Pampa. Gedacht, gesagt, gemacht. Mit einer Freundin in Navi-Rolle und guter Stimmung brach ich auf. Die Landschaft direkt hinter der Grenze ist – ach, ‚fantastisch’ ist ein ja so inflationsgeschwächtes Wort. Hierfür bräuchte ich ein anderes. Nicht nur, dass sie Sehnsucht nach Wandern weckt. Sanfte Hügel mit gelb, dunkel- und hellgrün gefärbten Feldern und bewachsen mit Baumkugeln, die einzeln oder in Reihen stehen. Hier und da ein kleines Wäldchen, kleine Gehöfte. Jedes Mal, wenn ich diese Landschaft betrachte, frage ich mich, wie sie vor tausend Jahren ausgesehen haben mag. Ich würde gerne eine Zeitreise machen, um dies zu sehen, denn ich bin davon überzeugt, dass es keineswegs eine wilde, menschenleere Gegend war. Nicht hier.

renaac: Überhaupt nicht in Italien
renaac: Überhaupt nicht in Italien

Teuven war schnell gefunden, die Gelato Farm nicht ganz. Der Weg führte uns mitten durch die erstklassige Botanik. Da hätte sich ein jedes Navi schon längst verabschiedet und mich gegen einen Baum fahren lassen – meine Freundin ließ sich nicht vom rechten Weg abbringen. Sie dirigierte mich zielsicher durch ein Wäldchen, wo nur ein schmaler, wenn auch asphaltierter Weg hindurchführte. Plötzlich ein Schild, dann noch eins und nach zwei Kilometern standen wir vor der Farm.

renaac: Die sehr kalte Variante von Apfelstrudel mit Eis und Schlagsahne - nicht minder kalorienreich
renaac: Die sehr kalte Variante von Apfelstrudel mit Eis und Schlagsahne – nicht minder kalorienreich

Ein paar Holztische, ein Spielplatz und ein Holzhäuschen dem großen Hofhaus vorgebaut, und darin ein Junge, der uns das tollste Eis anbot. Und dieses Eis war aus der Milch der glücklichen Kühe gemacht, die fröhlich vor sich hin kauten und verdauten – auf den Wiesen nebenan. Dem Geruch nach schien es jedenfalls so.

renaac: Framboise Coup war auch nicht ohne
renaac: Framboise Coup war auch nicht ohne

Nach der Riesenportion à la Liégoise, also die Sommerversion von Apfelstrudel mit Eis und Schlagsahne, ist es mir gerade so gelungen aufzustehen. Meine Freundin schnaubte leicht nach ihrem Framboise Coupe. Uff! Jetzt galt es das Angegessene abzubauen. Der Weg war gerade und führte direkt … ins Ausland. Den Grenzstein hätten wir beinahe übersehen.

renaac: Warum war der Zugang verboten? – Dahinter kamen wir nicht
renaac: Warum war der Zugang verboten? – Dahinter kamen wir nicht.

Vielleicht noch auf der belgischen, möglicherweise aber schon auf der niederländischen Seite der unsichtbaren Grenze weideten Pferde, zwei große und ein Fohlen. Es hüpfte und sprang und galoppierte plötzlich mit einer unglaublichen Leichtigkeit.

renaac: Mama, Papa! Ich habe fertig!
renaac: Mama, Papa! Ich habe fertig!

Ein Stück weiter erinnerten uns Wohnwagen an einem nahe der Grenze gelegenen Hof daran, dass wir uns hier im Erholungskerngebiet der Niederlande mit einem beschwipsten Namen Heijenrath befanden. Es klang irgendwie ähnlich wie Hergenrath für Bierfreunde. An uns vorbei fuhren viele Autos mit Urlaubern drin, und doch wirkte der Ort wie ausgestorben. Na klar, sonst waren ja alle am Wandern. Deswegen kommen doch die Flachlandniederländer in ihre ‚Berge’ an der belgischen Grenze. Und ich kann sie verstehen – Begründung oben. Wir ließen uns indessen in einem Vorgarten nieder, der zum Heijenrath Hotel gehörte. Welch eine Ruhe und Gelassenheit herrschte hier! Da konnte man leicht vergessen, dass wir nicht in einem fernen Land waren, um einen ruhigen Urlaub zu machen, sondern auf einem Samstagstrip in Belgien und den Niederlanden gleichzeitig – nur ein paar Kilometer von Zuhause entfernt. Auf dem Rückweg entdeckten wir einen scheinbar verlassenen Obststand. Kleine Schälchen standen da, daneben lag ein Stück Karton mit der Bitte um Selbstbedienung, die sich auch auf die Zahlung erstreckte. Sehr vertrauensvoll lebte man hier.

renaac: Entweder waren wir zu früh oder zu spät ...
renaac: Entweder waren wir zu früh oder zu spät – das Geldkörbchen war leer …

Auch der schönste Sommertag geht irgendwann zu Ende. Es war Zeit, nach Hause zurückzufahren. An sich kein Akt, aber wir wollten eine neue Route ausprobieren. Wir fuhren Richtung Henri-Chapelle und kamen so an den Friedhof amerikanischer Soldaten, die hier im Zweiten Weltkrieg ihr Leben gelassen hatten. Die Sonne ging in gelbblauen Tönen unter und die Hügel am Horizont spendeten lange Schatten. sonnenuntergang Es war keiner der blutroten Sonnenuntergänge, von denen ja viele so schwärmen. Und trotzdem beeindruckte er durch die den Ort beherrschende, verzauberte Stille. Ein Moment der Unwirklichkeit. friedhof Auch andere Besucher flüsterten nur, als hätten wir alle Angst, etwas unwiederbringlich zu zerstören, das zu diesem Ort gehörte, dem Ort der Toten – an dem wir nur Störenfriede waren.

renaac: Über allem thronte eine beflügelte Jünglingsgestalt.
renaac: Über allem schwebte eine beflügelte Jünglingsgestalt.

Etwas schweigsamer, ja nachdenklicher stiegen wir ins Auto und fuhren die letzte Strecke nach Aachen.

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